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Dieses Thema hat 1 Antworten
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Ralf Wilke Offline

Administrator

Beiträge: 311

26.07.2006 10:43
offener Brief / politisches Nachtgebet Antworten


Einen offenen Brief hat im Anschluss an das Politische Nachtgebet im März das ehemalige Mitglied im Ortsvorstand der IG Metall Duisburg Manfred Rhau an Oberbürgermeister Adolf Sauerland geschrieben.

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

mein Name wird Ihnen sicherlich nichts sagen. Ich war Teilnehmer des Politischen Nachtgebetes am 06. März, bei dem Sie unter anderem behaupteten, "dass die Dreckschleuder MHD jahre­lang nichts für den Umweltschutz getan habe!"

Da ich durch meine langjährige Mitgliedschaft im Ortsvorstand der IG Metall sowie durch Ge­spräche mit meinen damaligen Betriebsratskollegen der MHD GmbH einen anderen Informati­onsstand hatte, ließen mir Ihre Äußerungen keine Ruhe. Ich führte deshalb mit Verantwortlichen der ehemaligen MHD Gespräche darüber, inwieweit Ihre Behauptungen zutreffend waren. Da inzwischen einige der Ansprechpartner nicht mehr in Duisburg tätig sind, benötigten diese Ge­spräche eine längere Zeit als erwartet, deshalb die späte Antwort. Bei meinen Nachfragen be­zog ich mich auf den Zeitraum von 1995 - 2002, in dem Dr. Schneider alleiniger Geschäftsführer der MHD war.

Generell lässt sich sagen, dass während dieser Zeit jährlich etwa 5 - 6 Mio. Euro in das Unter­nehmen investiert worden sind, 1,5 - 2 Mio. davon dienten der laufenden Verbesserung des Umweltschutzes.

Im Zuge der Entwicklung der politisch gewollten Kreislaufwirtschaft, die, für die Kunden wirt­schaftlich und zugleich umweltfreundlich ist, errichtete die MHD GmbH eine Anlage, mit der sich Filterstäube, vornehmlich aus der Stahlindustrie, direkt in den IS-Ofen einblasen ließen. Diese Stäube waren vorher auf Sondermüll- oder Untertagedeponien verbracht worden. Bei der Verar­beitung im Schachtofen ließen sich die in den Stäuben enthaltenen Dioxine völlig zerstören. Kosten der Anlage: etwa 5 Mio. Euro.

Im Jahre 1996 investierte MHD auf Druck des MURL in einen Dioxinfilter, der erste seiner Art, obwohl ein kostengünstigerer Nass-Filter vom RP schon genehmigt war. Kosten: rund 3,3 Mio. Euro.

Gemeinsam mit dem StUA wurde ein 45 Punkte umfassendes Programm zur Reduzierung von diffusen Quellen festgelegt, 43 davon wurden abgearbeitet. Strittig blieben die Einhausung des Erzlagerplatzes und die Schiffsentladestelle.

Die MHD GmbH hatte auf der Basis eines bei der DMT in Auftrag gegebenen Gutachtens die Beseitigung anderer Quellen und Flächen für sinnvoller und effektiver gehalten. Doch darüber wollte das Amt nicht diskutieren. Gegen diese Einhausung sprach außerdem die beabsichtigte Umstellung der Produktion auf Sekundärstoffe. Damit wäre eine Anlieferung per Schiff und die Lagerung im Freien entfallen.

Als größere Projekte mit umweltschutzrelevanten Gesichtspunkten sind weiterhin erwähnens­wert: der Neubau einer elektrischen Gasreinigung für 5,5 Mio. Euro, ein neuer Anheizer zur Reduzierung des CQ2 Gehaltes im Gichtgas für 3 Mio. Euro, sowie die Einhausung des Trans­portbandes und Eckturmes der Heißbrikettierung für 0,4 Mio. Euro.

Weitere Maßnahmen wurden mir dem MURL abgestimmt. So gab es Pläne zur Grundwasser- und Haldensanierung. Die notwendigen Gelder von mindestens 25 Mio. Euro sollten aus dem Cashflow verwendet werden.

Einige der genannten Fakten und Projekte sind auch im Band 3 über Wanheim-Angerhausen: "Heimat zwischen Anger und Rhein" nachzulesen.

Aus der Zeit nach der Übernahme der Hütte durch Sudamin ist, den Umweltschutz betreffend, wenig zu berichten, denn die Umwelt wurde durch strafverdächtige Handlungen geschädigt. Nicht ohne Grund stellte der Betriebsrat im Mai 2005 einen Strafantrag gegen die Geschäftsfüh­rung. Wie Sie sich sicherlich denken können, war dies für den Betriebsrat kein leichter Schritt.

Vom ehemaligen Betriebsratvorsitzenden Peter Deml hörte ich, dass während des vorläufigen Insolvenzverfahrens gemeinsam mit der IG Metall und dem ehemaligen Geschäftsführer der Versuch unternommen wurde, das Unternehmen im Sinne einer positiven Kreislaufwirtschaft als Recyclingbetrieb weiter zu betreiben und dadurch eine Vielzahl der vorhandenen Arbeitsplätze zu retten.

Das war, damit sage ich Ihnen ja nichts Neues, von der Politik nicht mehr gewollt, denn viel zu schnell wurde das Logport-Projekt mit allen Zuschüssen präsentiert. Für mich war dies ein Zei­chen, dass an dieser Lösung schon wesentlich länger gearbeitet worden ist.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Sauerland, eigentlich hatte ich von Ihnen erwartet, dass Sie, als erster Bürger dieser Stadt, die Leistung eines Betriebes und seiner Mitarbeiter, die zwei­felsohne nicht gering waren, anerkennen, auch wenn dieser Betrieb einem neuen Nutzungskon­zept weichen musste.

Von der Insolvenz der Sudamin MHD GmbH waren auch noch die Metall-Labor Duisburg GmbH sowie die Industrieservice Metallhütte GmbH betroffen. Rund 510 Mitarbeiter waren in diesen Unternehmen beschäftigt, etwa 80 fanden inzwischen einen neuen Arbeitsplatz. Die anderen sehen, in einer Stadt mit 40.000 Menschen ohne Arbeit, in eine düstere Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Rhau"
Teamarbeit ist wenn alle zusammen etwas tun ...

Willi ( Gast )
Beiträge:

18.08.2006 23:06
#2 RE: offener Brief / politisches Nachtgebet Antworten


Auf den offenen Brief im Anschluss an das Politische Nachtgebet im März des ehemaligen Mitglieds im Ortsvorstand der IG Metall Duisburg Manfred Rhau an den Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat dieser jetzt geantwortet

"Duisburg, 27.06.2006

Sehr geehrter Herr Rhau,

mit Schreiben vom 23.4.2006 wenden Sie sich gegen eine Äußerung meinerseits, die Sie mit den Worten zitieren „dass die Dreckschleuder MHD jahrelang nichts für den Umweltschutz getan habe“.

Sie fahren dann fort mit einer Schilderung diverser Maßnahmen ab 1995, die zu einer Verbesserung der Umweltsituation geführt haben. Für den Vollzug dieser Maßnahmen war als Umweltbehörde das Staatliche Umweltamt Duisburg zuständig. Als Oberbürgermeister der Stadt Duisburg und damit zuständig für das Amt für kommunalen Umweltschutz, also nicht als zuständige Vollzugsbehörde, kenne ich die von Ihnen geschilderte Historie nicht aus den direkten Gesprächen zwischen staatlicher Umwellverwaltung und MHD. Deshalb sehen Sie. mir bitte nach, wenn sich im Folgenden womöglich doch eine Ungenauigkeit einschleicht.

In der Tat hat die Firma MHD in all den Jahren immer wieder Umweltschutzmaßnahmen durchgeführt, dahinter stand aber sehr oft eine Anordnung der Vollzugsbehörde. Die Firma MHD war durch eine Ordnungsverfügung der damaligen Umweltministerin Höhn gezwungen worden, Dioxinfilter einzubauen. Dies hat die Firma MHD damals aber erst getan, nachdem sie den entsprechenden, von ihr angestrengten Rechtsstreit, vor dem allerhöchsten Verwaltungsgericht dieser Republik, dem Bundesverwaltungsgericht, verloren hatte. Die Firma MHD hatte also trotz Kenntnis des in Deutschland zur damaligen Zeit fast einmalig hohen Dioxinausstosses ihrer Kamine zunächst einmal die einschlägigen Gesetze nicht beachtet und dann entsprechende Ordnungsverfügungen bis zum Schluss bekämpft.

Dasselbe gilt für das Problem der bundesweit einmalig hohen Blei- und Cadmiumemissionen der Hütte. Auch dieses Problem wurde trotz der einschlägigen Gesetzeslage nicht angegangen, sondern erst als das Land NRW Mitte der 90er Jahre für Duisburg den Sonderluftreinhalteplan erlassen hatte, kam die Hütte, sehr zögerlich, den Auflagen des Staatlichen Umweltamtes nach. Die Schwesterfirma, die Firma Berzelius, hatte sehr viel gründlicher und prompter versucht, dasselbe Problem in den Griff zu bekommen.

Deshalb habe ich den Begriff „Dreckschleuder“ verwandt. Das Umweltschutzniveau der Hütte war so niedrig, dass auch die von Ihnen angeführten Maßnahmen nicht ausreichend waren, trotz des vielen Geldes, auch nur die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass sich die Luftbelastungssituation nach Stillegung der Produktion im August 2005 noch einmal drastisch verbessert hatte.

Schließlich zeigt auch der Umgang der Hütte mit dem Altlasten- und Grundwasserproblem, dass zwar die Firma MHD/Sudamin über Jahre mit den Behörden verhandelt hat, aber konkrete Ergebnisse nicht erzielt wurden.

Auch Ihren Hinweis darauf, dass die Firma hätte weiterbestehen können, wenn nicht zu früh die „Logportlösung“ ins Spiel gekommen wäre, muss ich zurückweisen. Der Insolvenzverwalter, Herr Hammes, hat intensiv nach Investoren für den Fortbestand der Hütte, auch mit verändertem Konzept, gesucht. Dieses ist ihm nicht gelungen, weil die Hütte derart überschuldet und technisch veraltet war, dass neue Konzepte Investitionen in einer Höhe erfordert hätten, die kein strategischer Investor bereit war zu tragen.

Es ist beunruhigend, im Nachhinein zu erkennen, dass eine Firma die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter durch undurchsichtige Machenschaften und umweltschädigendes Verhalten zerstören konnte, ohne dass die Vollzugsinstrumente des Staates dagegen etwas ausrichten konnten. Ich meine, es hilft wenig, wenn Sie aus Ihrer verständlichen Empörung über den Verlust der Arbeitsplätze, nun die Kommune dafür verantwortlich machen. Gewerkschaften, Kommune und staatliche Behörden sollten vielmehr aus diesem Fall lernen und nach Wegen suchen, wie umweltrechtliche Auflagen erfolgreicher durchgesetzt werden können, bzw. wie gegen solche wirtschaftlich strafbaren Handlungen, wie sie hier vorgekommen sind, früher eingeschritten werden kann.

Ausdrücklich spreche ich mich hier aber auch für die ordnungsbehördliche Anordnung von Umweltmaßnahmen gegenüber Betrieben aus, wenn völlig offensichtlich über Jahre gesetzliche Anforderungen ignoriert werden.

Sehr geehrter Herr Rhau, nur wenn es uns gelingt, die negativen Folgen der Schwerindustrie für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen einzudämmen, bleibt Duisburg ein erfolgreicher Industriestandort, der mehr Bewohner anzieht als Bewohner verliert und wie Sie wissen, ist letzteres schon seit Jahren das große Problem der Stadt mit allen Folgen für Wohlstand und Zukunft.

Für Ihr leidenschaftliches Plädoyer in der Sache darf ich mich bedanken, ich freue mich immer, wenn Menschen sich engagieren statt tatenlos den Geschehnissen zuzusehen. Ich hoffe, ich konnte auch umgekehrt meinen Standpunkt deutlich machen.

Mit freundlichen Grüßen

Adolf Sauerland"

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